AB - Die Andere Bibliothek 2006


James Thurber: Vom Mann, der die Luft anhielt
Magnus Hirschfeld: Weltreise eines Sexualforschers
D'Arcy Wentworth Thompson: Über Wachstum und Form
Adolph Freiherr Knigge: Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien
Georg Brunold: Ein Haus bauen
Karl Wilhelm Weeber: Romdeutsch
Charles Sealsfield: Ralph Doughby's Esq. Brautfahrt
Albert Christian Sellner: Immerwährender Päpstekalender
Olaus Magnus: Die Wunder des Nordens
P. J. O'Rourke: Reisen in die Hölle und andere Urlaubsschnäppchen
Nicolas Gomez Davila: Das Leben ist die Guillotine der Wahrheiten
Antonius Anthus: Vorlesungen über die Eßkunst


James Thurber: Vom Mann, der die Luft anhielt - und andere Geschichten

Eichborn 2006, AB 253, 383 S.

Auch dem Mark Twain des 20. Jahrhunderts ging es anfangs nicht anders als anderen: »Das Interesse der leitenden Redakteure war - mit Ausnahme des New Yorker-Verlegers - eher journalistischer denn inhaltlicher Natur: Sie wollten wissen, ob ich bei Mondlicht zeichne oder unter Wasser - und wenn ich verneinte, verloren sie das Interesse, bis ihnen das Gerücht zu Ohren kam, daß ich die Zeichnungen in einer alten Truhe gefunden hätte oder daß ich nur die Textzeilen mache, während mein Neffe zeichnet.« Trotzdem machten seine Geschichten den fast blinden Schriftsteller, Cartoonisten und Wirklichkeitsverrücker James Thurber zu Amerikas berühmtestem Humoristen. Seine meist im New Yorker erscheinenden Kurzgeschichten, Skizzen, Szenen, Parabeln, Fabeln und Sketche lösten eine Welle des Thurberism aus, man erzählte sich seine neuesten Einfälle beim Einkaufen weiter, er bekam waschkorbweise Leserpost, wurde zum Ehrendoktor ernannt und überhaupt weltberühmt.

Bis heute ist sein scheinbar netter und doch ziemlich hinterhältiger Witz so zeitlos wie wirkungsvoll - die vorliegende, von Hans Magnus Enzensberger besorgte Auswahl stellt dies nachdrücklich unter Beweis.

James Thurber wurde am 8.12.1894 in Columbus (Ohio) geboren. Nach einem Auslandsaufenthalt in Paris wurde der »glänzende Satiriker« (Boston Transkript) Mitarbeiter und Redakteur des New Yorker. Er starb am 2.11.1961 in Connecticut.


Magnus Hirschfeld: Weltreise eines Sexualforschers

Eichborn 2006, AB 254, 447 S.

Vieles an diesem Buch ist ungewöhnlich. Es beginnt damit, daß Magnus Hirschfeld bei derAbfahrt »eine Reise um die Weit weder beabsichtigt noch geplant hatte«. Auch war er kein bummelnder Tourist, sondern ein Mann mit einer Mission: Er hält auf seiner Reise - häufig zum milden Erstaunen der in der Tropensonne träge gewordenen Kolonialeuropäer - in 500 Tagen 176 Vorträge. Sein Thema ist immer das gleiche: Sexologie. Denn noch spannender als Canyons, Tempel und Grandhotels sind für ihn die sexuellen Gepflogenheiten der Landesbewohner. So steht auf Hirschfelds Besuchsprogramm ganz selbstverständlich neben dem Kirschblütenfest in Japan das Bordellviertel in Yokohama, eine Begegnung mit japanischen Frauendarstellern, die Suche nach Phallussteinen und die Beantwortung der Frage, ob es das gefürchtete »Verschwinden des Penis« tatsächlich gibt.

Bestechend ist dabei die Energie und auch die Vorurteilslosigkeit, mit der der Forscher zu Werke ging - denn neben seiner auch heute noch verblüffenden Begeisterung für die Sexualfreundlichkeit des Islam stellt er immer wieder fest, wie ungewöhnlich lebenstüchtig die Sprößlinge von Mischlingsehen sind. Kein Wunder, daß Hirschfeld bei seiner Rückkehr in Berlin wenig beliebt war und die Erstausgabe seiner Weltreise 1933 nicht dort, sondern in Zürich herauskam.

Magnus Hirschfeld wurde als Sohn eines jüdischen Sanitätsarztes am 14.5.1868 in Kolberg/Pommern geboren. Er war deutscher Nervenarzt, Sexualforscher und Vordenker der Homosexuellen-Bewegung. 1933 wurde die Schließung seines Instituts für Sexualwissenschaft in Berlin durch die Nationalsozialisten angeordnet, das Institut ab dem 6. Mai 1933 geplündert und zerstört. Die Institutsbibliothek landete zusammen mit einer Büste Magnus Hirschfelds im Feuer auf dem Berliner Opernplatz. In Paris scheiterte der Versuch Hirschfelds, ein neues Institut zu gründen. 1934 übersiedelte er nach Nizza, wo er 1935 an seinem 67. Geburtstag starb.


D'Arcy Wentworth Thompson: Über Wachstum und Form

Eichborn 2006, AB 255, 479 S.

1917 erstmals erschienen, bietet "Über Wachstum und Form" einen einzigartigen Zugang zu den Phänomenen des Lebens. Mit Hilfe der Mathematik und der Physik ergründet D'Arcy Wentworth Thompson beispielsweise, warum kleine Tiere stärker schwitzen als große, warum wir auch mit mehr Beinen nicht schneller laufen könnten, warum größere Vögel schneller fliegen als kleine und warum Gelatinetropfen, die in eine härtende Flüssigkeit fallen, künstliche Medusen oder Quallen bilden. Thompsons Buch ist ein Meisterwerk von großem intellektuellem Reichtum. Seine anschauliche Entzifferung der geometrischen Sprache im Buch der Natur, seine stilvolle Prosa, die Verschmelzung von Naturwissenschaft und Geistesgeschichte werden jeden begeistern, der einen wachen Sinn für die Wunder des Lebens hat.

Welches Buch sollte man, auf einer einsamen Insel der Wildnis ausgesetzt, bei sich haben, wenn nicht "Über Wachstum und Form"? Die mathematische Schönheit lebendiger Gestalt, die uns D'Arcy Wentworth Thompson erschließt, gäbe uns viele Rätsel auf, die zu lösen wir dann alle Zeit hätten.

D'Arcy Wentworth Thompson, britischer Gräzist und Biologe, wurde 1860 in Edinburgh geboren und ist 1948 in St. Andrews, Schottland verstorben. Thompson gilt als der erste »Biomathematiker«. Sein Ruhm gründet sich auf das Buch "Über Wachstum und Form", dessen erste Auflage 1917 erschien.


Adolph Freiherr Knigge: Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien

Eichborn 2006, AB 256, 371 S.

1791, die Revolution in Frankreich tritt gerade in die heiße Phase, da erscheint ein Buch des damals nicht als Manierenpapst berühmten, sondern als Radikalaufklärer berüchtigten Adolph Freiherr Knigge. Und dieses Buch hat es in sich - denn der Titelheld gelangt nach Abenteuern, die kein gutes Licht auf seine deutsche Heimat werfen, ins damals Abyssinien genannte Äthiopien. Dort hat man dem König der Könige, dem alten Negus, erzählt, welche Wunder die Aufklärung bereithält - und der hat beschlossen, sie mit Hilfe Noldmanns und dessen Neffen bei sich einzuführen.

Ein Sohn des Fürsten reist mit Noldmann zurück nach Deutschland, um sich ausbilden zu lassen, und im Gegenzug werden weitere deutsche Entwicklungshelfer nach Afrika geschickt. Die philosophische Deutschlandreise scheitert an der wollüstigen Persönlichkeitsstruktur des verwöhnten Fürstensöhnchens, die Aufklärung in Abyssinien an der falschen Lenkung der Reformen. Bis es am Ende, als der verdorbene Sohn das Land regiert, beinahe zum Aufstand kommt und damit zur Abschaffung der Monarchie und eine Nationalversammlung eine ganz neue, ideale Staatsverfassung einsetzt.

Als Anstandspapst gilt Adolph Franz Friedrich Freiherr Knigge (1752-1796) heutzutage - völlig zu Unrecht. Denn nie wollte er seine Mitmenschen ins Korsett apodiktisch formulierter Benimmreglen pressen. Sein Bestreben war lediglich, eine für alle Menschen gültige, nicht stände-, klassen- oder portemonnaiegebundene universelle Umgangsform zu etablieren. Einen »tiefen Kenner der Menschen und der Bestien« nannete ihn Heinrich Heine.


Georg Brunold: Ein Haus bauen. Besuche auf fünf Kontinenten

Eichborn 2006, AB 257, 351 S.

Georg Brunold ist ein Meister der Reportage. In den vergangenen zehn Jahren war er auf allen Kontinenten unterwegs, hat sich umgeschaut in Ostasien und im Emmental, in Kalabrien und der Karibik, immer wieder in Afrika und Arabien. Aber auch in fernen Zeiten. In all seinen Texten trifft er auf einfache Menschen und weltbewegende Ereignisse, berichtet er von kleinen Begebenheiten und geschichtlichen Umwälzungen gleichermaßen.

In seinen Reportagen versucht Brunold nicht, Identitäten auf bündige Formeln zu bringen. Doch schärft er den Blick für das Gemeinsame aller Erdbewohner. Bemühen sich nicht alle unentwegt darum, ihre eigene Lage zu verbessern, und das nur zu oft auf Kosten anderer?

Beim Lesen von Brunolds Erzählungen von der Welt befindet man sich vor Ort: steht am Grab der Ahnen im vietnamesischen Reisfeld, sinniert über Himmel und Hölle unter dem haitanischen Apfelbaum und wandert gemeinsam mit Philip Roth zu seinem Elternhaus an der Summit Avenue 81, Weequahic, Newark.

Georg Brunold, geboren 1953 in Arosa/Graubünden, ist Journalist, Schriftsteller und Übersetzer. Er war Afrika-Korrespondent der Neuen Züricher Zeitung mit Sitz in Nairobi, Stellvertretender Chefredakteur der Kulturzeitschrift du in Zürich und lebt heute wieder in Nairobi. In der ANDEREN BIBLIOTHEK sind von ihm erschienen: Nilfieber. Der Wettlauf zu den Quellen (1993), Afrika gibt es nicht. Korrespondenzen aus drei Dutzend Ländern (1994) und, zusammen mit Klaus Hart und R. Kyle Hörst, Fernliebe. Ehen zwischen den Kontinenten (1999).


Karl Wilhelm Weeber: Romdeutsch. Warum wir alle lateinisch reden, ohne es zu wissen.

Eichborn 2006, AB 258, 340 S.

Sind wir wirklich alle Lateiner? Ja, behauptet Karl-Wilhelm Weeber, denn was wäre die deutsche Sprache ohne Latein? Und, noch wichtiger: Was funktioniert im Deutschen eigentlich ohne Latein? »Voll krasse Sprache«, sagt auch der Nichtlateiner und ahnt in den seltensten Fällen, wie recht er hat. Denn woher soll er wissen, daß »krass« sich vom Lateinischen »crassus« ableitet und »fett« bedeutet?

Anhand vieler Beispiele zeigt der Autor, wie lebendig das lateinische Erbe in der deutschen Sprache ist - in Medizin, Naturwissenschaft und Philosophie, aber auch im Alltagsdeutsch. Geld stinkt nicht, die Daumen drücken, vor Neid platzen, lachende Erben - deutsche Redewendungen entstanden vor 2000 Jahren, als noch kein Mensch deutsch sprach. Aber das Lateinische ist nicht nur in unserer Sprache quicklebendig, sondern hilft sie auch zu verstehen.

Anders formuliert: Wer kein Latein kann, den bestraft das Deutsche. Denn warum ist ein Konfirmand kein Konfirmant? Was unterscheidet den Simulanten vom Simulator? Was haben alle deutschen Verben gemein, die auf -ieren enden? Ob Bits und Bytes - (fast alle) lateinischen Wortwege führen in die moderne Welt. Und nach Lektüre dieses fröhlichen Vademekums werden selbst neoliberale Latein-Gegner eingestehen, daß sie im Grunde überzeugte »Latin lovers« sind.

Karl-Wilhelm Weeber, 1950 geboren, ist Leiter des Wilhelm-Dörpfeld- Gymnasiums Wuppertal, Professor für Alte Geschichte an der Universität Wuppertal und Lehrbeauftragter für Didaktik der Alten Sprachen an der Universität Bochum. Zahlreiche Publikationen vorwiegend zur römischen Kulturgeschichte.
2010 erschien in der Anderen Bibliothek der Band »Rom sei Dank!«


Charles Sealsfield (Karl Postl): Ralph Doughby's Esq. Brautfahrt

Eichborn 2006, AB 259, 320 S.

Der literarische Autor einer neuen Welt

Der alte Goethe lebte noch in der Enge Weimars, als ein junger Österreicher hinüberführ in die Weite der Neuen Welt und dort Landschaften, Städte und Menschen sah, noch völlig unbescrieben und noch in keinen Romanen vorgekommen, für die das alte Europa wirklich zu klein gewesen wäre. Er warf alle Vorurteile weg, selbst die deutsche Sprache scheint er allem Neuen ungeschützt überlassen und ausgesetzt zu haben.

Charles Sealsfield nannte sich der junge Autor, der dann ein begeisterter Bürger dieser Neuen Welt wurde, und wenn eine frisch atmende, lebendige Sprache je etwas verraten hat, dann die seine das das schöne jugendliche Recht seiner damaligen Begeisterung. Und noch heute, nach hundertsiebzig Jahren, spüren wir in seinen Erzählungen aus jenen Jahren die Lust, etwas Neues am Menschen entdeckt zu haben; fast duften die frischen Farben noch, mit denen er uns seine Bilder aus der Neuen Welt malt.


Albert Christian Sellner: Immerwährender Päpstekalender

Eichborn 2006, AB 260, 422 S.

Kalendergeschichten für Ketzer und Gläubige

Einige waren gütige und fromme Männer, Friedensstifter, geniale Staatenlenker, Beschützer der Armen, Förderer der Wissenschaft, Dichter und Denker. Aber auf dem Heiligen Stuhl saßen auch Mordbuben und Sadisten, Pornographieliebhaber und Intriganten, Blödsinnige, Paranoiker und bösartige Greise. Stephan VI. etwa ließ (897) seinen Vorgänger Formosus neun Monate nach dessen Tod exhumieren und in päpstlichen Gewändern in eine Synode setzen. Der Tote wurde verdammt, dem verwesenden Leichnam die Kleider heruntergerissen, die Schwurfinger und der Kopf abgehackt und die Überreste in den Tiber geworfen. Oder die Renaissancepäpste: Manche »Stellvertreter Gottes« in dieser Epoche konnten auf eine beträchtliche leibliche Nachkommenschaft blicken, die sippenbewußt neben der übrigen weitläufigeren Verwandtschaft mit Herzogs- oder Kardinalswürden versorgt wurde.

Albert Christian Sellner erzählt denkwürdige, erbauliche und lehrreiche Begebenheiten aus dem Leben und Treiben der römischen Bischöfe, gestützt auf mittelalterliche Chronisten, freundlich wie feindlich gesonnene Legenden und parteiliche Pamphlete, aber auch auf die großen Geschichtsschreiber und moderne wissenschaftliche Erkenntnisse. Eine faszinierende Lektüre für jeden Tag.

Albert Christian Sellner, ehedem Redakteur und Lektor, lebt als Antiquar, freier Autor und Herausgeber in Frankfurt am Main. 1993 erschien von ihm in der Anderen Bibliothek der Immerwährende Heiligenkalender.


Olaus Magnus (Hrsg. Elena Bolzamo, Reinhard Kaiser):
Die Wunder des Nordens

Eichborn 2006, AB 261, 383 S.
Als Beilage enthält der Band den Nachdruck der »Carta marina« von 1539 als Plakat, Abonnenten erhalten dieses Plakat zusätzlich als farbigen Druck.

Von Wundern, Vulkanen und den zwanzig Arten des Schnees

Dieses Buch hebt einen Schatz. Die erstaunlichen Bilder und Berichte, in denen Olaus Magnus die Wirklichkeit und die Wunder seiner nordischen Heimat anschaulich gemacht hat, liegen hierzulande in den Magazinen einiger weniger Bibliotheken vergraben. Und die Lebensgeschichte dieses Mannes ist bei uns ganz unbekannt - dabei kann sie es mit so manchem aktuellen Historienschmöker leicht aufnehmen.

Olaus Magnus (1490-1557) war seinem Titel nach der letzte katholische Erzbischof von Uppsala. Er übernahm dieses Amt jedoch erst, als ihn die Konflikte um die Unabhängigkeit Schwedens nach Italien verschlagen hatten. Der verhinderte Kirchenfürst verstand es, aus seinem Exil etwas zu machen. In jungen Jahren hatte er - als Gehilfe eines römischen Ablaßhändlers - auf langen Reisen die abgelegenen Teile Schwedens und Norwegens erkundet. Nun ging er als neugieriger Gelehrter daran, eine faszinierte Öffentlichkeit über den wilden Norden Europas zu unterrichten - eine Gegend, die damals noch unbekannter war als Afrika.

Elena Balzamo und Reinhard Kaiser stellen Leben und Werk dieses Mannes in seinem fabelhaften Reichtum vor: die berühmte »Carta marina«, eine von Meerwundern und Menschen, Tieren und Geistern wimmelnde Land- und Seekarte Nordeuropas, und die reich illustrierte »Beschreibung der Völker des Nordens«.


O'Rourke, P. J.: Reisen in die Hölle und andere Urlaubsschnäppchen

Eichborn 2006, AB 262, 316 S.

Angstschweiß, Armut, alles inclusive

Warum eigentlich an den immer gleichen Stränden die immer gleichen Langweiler treffen, fragte sich P.J. O'Rourke im Jahre 1984. Er rief statt dessen beim Reiseministerium des Libanon an und buchte eine Woche Beirut. Der  Vorteil: Er war in der Stadt wohl der einzige Tourist - denn seit Jahren tobte dort ein Bürgerkrieg, den die vielfältigsten miteinander verfeindeten Gruppierungen vorzugsweise in den Straßen der Hauptstadt ausfochten. O'Rourke lernte nicht nur die berühmte Strandpromenade kennen (die man der Scharfschützen wegen allerdings nur im Laufschritt passieren konnte), sondern auch das richtige Verhalten bei Straßensperren verschiedenster Milizen, die beste Reaktion im Feindfeuer und die Kunst, in allen Lebenslagen die richtigen Antworten zu geben.

Ob in Nordirland, Israel, Albanien oder in Südkorea: In den folgenden zwanzig Jahren bereiste O'Rourke fast alle aus gutem Grund weitgehend touristenfreien Regionen der Erde. Und wenn es ihn doch mal an einen »normalen« Badestrand zog wie 2005 nach Guadeloupe, führte ihn selbst seine Urlaubslektüre auf erbittert umkämpftes und tückisch vermintes Terrain - beim Versuch, die Europäische Verfassung zu lesen.

Auf wundersame Weise gelingen O'Rourke nicht nur höchst informative, sondern auch irrwitzig komische Reportagen über den alltäglichen Wahnsinn auf unserer Welt.

P.J. O'Rourke, geboren 1947 in Toledo, Ohio, ist einer der bekanntesten und erlesensten politischen Satiriker, Reporter und Autoren Amerikas. Zunächst Redakteur des amerikanischen Satiremagazins National Lampoon, wechselte er 1981 zum Freelance-Journalismus. Seine Reportagen erschienen im Playboy, in Vanity Fair, Car and Driver und Rolling Stone. Dort wurde er später Ressortleiter Außenpolitik (bis 2001). Seither erscheinen seine Texte vor allem in The Atlantic Monthly und in The Weekly Standard.


Nicolás Gómez Dávila: Das Leben ist die Guillotine der Wahrheiten. Ausgewählte Sprengsätze

Eichborn 2006, AB 263, 319 S.

Ein würdiger Nachfolger von Schopenhauer und Nietzsche

Sein Werk ist titanisch, der Mann fast unbekannt. Um die Verbreitung seiner Werke hat er sich nie besonders bemüht - aber jetzt, einige Jahre nach seinem Tod, scheint der Siegeszug von Nicolás Gómez Dávilas Aphorismen so etwas wie eine unaufhaltsame Notwendigkeit.

Wie hingeworfen wirken die Namen, die er den Büchern gab: Notas, Textos und vor allem Escolios. Ein Werk von einigen tausend Seiten. Nur, muß man sagen, denn aus Dávilas Schreibwerkstatt kamen ausschließlich extrem verdichtete, jahrzehntelang geschliffene Diamanten von größter Härte. Wenn Dávila irgend etwas scheute, dann waren es Denkverbote. Und so nimmt es nicht Wunder, wenn in ihnen mancher Sprengsatz verborgen ist. Martin Mosebach, seit Jahrzehnten Bewunderer und Verehrer von Dávilas Hauptwerk, hat aus Tausenden von Seiten die Crème de la crème ausgewählt und stellt in diesem Band einen Wortartisten und Denker von Weltgröße, einen Fortdenker von Nietzsche und Schopenhauer vor.

Nicolás Gómez Dávila wurde 1914 in Bogota/Kolumbien geboren, wo er 1994 im Alter von 80 Jahren starb. Sein schriftstellerisches Credo lautete: »Ein Schriftsteller, der seine Sätze nicht quält, quält seine Leser.«

Martin Mosebach, geboren 1951, lebt als freier Schriftsteller in Frankfurt am Main. Seine wichtigsten Romane sind: Das Bett (1983); Ruppertshain (1992); Westend (1992); Die Türkin (1999); Eine lange Nacht (2000), Der Nebelfürst (2001) und zuletzt Das Beben (2005).


Antonius Anthus: Vorlesungen über die Eßkunst

Eichborn 2006, AB 264, 319 S.

Das Speisen als schöne Kunst betrachtet

Als im Jahre 1838 die zu einem Buch zusammengefaßten Vorlesungen von Antonius Anthus erschienen, war damit nicht mehr und nicht weniger als das erste Buch über die Eßkunst überhaupt veröffentlicht. Daß es dann ein so gleichermaßen gelehrtes, elegantes, witziges und originelles Werk war, kann nicht anders denn als Glücksfall bezeichnet werden.

Mehr noch: Anthus schreibt als einziger der Gastrosophen aus der Perspektive des Essers, der sich der vorgesetzten Speisen als würdig zu erweisen hat. Die Speisen zu verfeinern überläßt er anderen; ihm geht es darum, das Speisen zu verfeinern - denn nur dadurch kann der Mensch erhöht werden. Anthus serviert eine Kulturgeschichte des Essens, Nachrichten aus der Welt des erlesenen Geschmacks und Betrachtungen über den Kosmos der verfeinerten Genüsse. Denn: Je virtuoser der Mensch zu essen versteht, desto weniger merkt man die Absicht; je mehr man von allem zu essen versucht, desto reicher wird die eigene Welt - und man selbst.

Anthonius Anthus, geboren am 27. Juni 1802 in Nürnberg, hieß in Wirklichkeit Gustav B. Blumröder, war Mediziner, Gelehrter und zog als Abgeordneter 1848 in die Reichsversammlung und das Rumpfparlament in Stuttgart ein. Am 23. Dezember 1853 starb er in Nürnberg. Sein genießerisches Credo lautete: »Der Verfasser fand sich bewogen, nachdem so viel geschrieben war, was gegessen werden sollte, nun endlich seine Gedanken darüber zu veröffentlichen, wie gegessen werden sollte.«

Alain Claude Sulzer, geboren 1953, lebt als freier Schriftsteller in Basel und im Elsaß. Zusammen mit Eckhard Witzigmann und Heinz Winkler hat er die kulinarischen Anthologien Das literarische Menü herausgegeben. Sein letzter Roman Ein perfekter Kellner wurde hochgelobt und wird gerade ins Englische übertragen.


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© Ralf 2007