AB - Die Andere Bibliothek 1986


George Gissing: Zeilengeld
Karl August Varnhagen von Ense: Journal einer Revolution
Joseph von Hammer-Purgstall: Märchen aus Hundert und Einer Nacht
Josef Skvorecký: Feiglinge
Alexander von Humboldt: Ansichten der Natur
Laurence Sterne: Yoricks empfindsame Reise
Béla Szász: Freiwillige für den Galgen
Ludwig Börne, Heinrich Heine - Ein deutsches Zerwürfnis
Isaac Bashevis Singer: Wahnsinnsgeschichten
Raymond Federmann: Alles oder nichts
Mohammed Choukri: Das nackte Brot
Walter: Viktorianische Ausschweifungen


George Gissing: Zeilengeld

Greno 1986, AB 13, 583 S.

Zeilengeld ist ein Roman über den Literaturbetrieb im viktorianischen England. Und mit einiger Überraschung stellen wir fest, daß sich die Verkehrsformen in dieser Sphäre in den hundert Jahren seit seinem Erscheinen (1891) nicht wesentlich verändert haben.

Das Buch handelt von der Industrialisierung der Literatur und von deren Konsequenzen. Gissings lebenslänglicher Kampf ums Überleben bürgt dafür, daß seine Darstellung authentisch ist. Kaltblütig und überraschend frei von Selbstmitleid stellt er die Optionen dar, mit denen sich ein Schriftsteller seiner Zeit konfrontiert sah. Zeilengeld handelt von der Schäbigkeit der Verleger, von den Winkelzügen der kritik, von der Korruption der Zirkulationsagenten, von den Hintertreppen-Intrigen der »Schönen Literatur«, vom hemmungslosen Konkurrenzkampf der Lohnschreiber, die einander wie Skorpione in einer Flasche belauern. In seinem Buch, das selber um »Zeilengeld« geschrieben wurde, hat Gissing das Unterfutter dessen, was heute im Feuilleton »Lesekultur« heißt, schonungslos aufgerissen.


Karl August Varnhagen von Ense: Journal einer Revolution

Greno 1986, AB 14, 349 S.

Ein Abtrünniger seiner eigenen Klasse, ein Spion der deutschen Geschichte, der überall, auf der Straße, in den Salons, am Tisch der Mächtigen, bei Hofe, in vertraulichen Unterhaltungen und auf stürmischen Sitzungen, immer im Hintergrund, ein ungeheures Belastungsmaterial sammelte.


Joseph von Hammer-Purgstall: Märchen aus Hundert und Einer Nacht

Greno 1986, AB 15, 387 S.

Buntscheckig und seltsam verlief die Geschichte der europäischen Begegnung mit den Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Einzelne Teile der Sammlung sind in Italien schon im 14. Jahrhundert bekannt geworden. Doch erst im Zeitalter Ludwig XIV. wurden sie, durch eine Übersetzung des französischen Orientalisten J.A. Galland, endgültig im Westen eingebürgert.

Knapp hundert Jahre später verschaffte sich Joseph von Hammer-Purgstall aus kairo eine arabische Handschrift. Zu seinem Entzücken entdeckte er darin eine größere Zahl von Märchen, die in Gallands Übersetzung fehlten. Hammer war österreichischer Diplomat und gab die Fundgruben des orients heraus, aus denen Goethe für seinen Diwan geschöpft hat. Seine Textfassung unterscheidet sich grundlegend von späteren Versionen der Märchen. Sie atmet den Geist des Dix-huitième. Ihre Sprache ist leicht, graziös und weltmännisch. Die Geschichten aus Hammers Märchenwerk, die wir hier vorlegen, sind nur ein kleiner Teil des überlieferten Stoffes; wir haben ihnen deshalb den Titel Märchen aus Hundert und Einer Nacht gegeben.


Josef Skvorecký: Feiglinge

Greno 1986, AB 16, 469 S.

Freitag, 4. Mai 1945, in einer kleinen tschechischen Stadt namens Kostelec nahe der deutschen Grenze - die Stunde null unseres Jahrhunderts rückt nächer. Ein historisches Vakuum? Die Jazzband probt.


Alexander von Humboldt: Ansichten der Natur

Greno 1986, AB 17, 509 S.

Zweihundert Jahre ist es jetzt her, daß Alexander von Humboldt von seiner sensationellen Forschungsreise durch Lateinamerika (1799-1804) nach Europa zurückkehrte. Neben der Arbeit an seinem dreißigbändigen Riesenwerk Voyage aux régions équinoxiales du Nouveau Continent fand er noch die Zeit, für unsereinen seine frischen Eindrücke in einem Buch zu schildern, das er sein »Lieblingswerk« nannte. Diese Ansichten sind keine bloße Faktensammlung; sie bieten einen grandiosen Überblick über Ströme, Urwälder, Vulkane, Bodenschätze, Klima, Bio- und Geologie, Lebensweise und Wirtschaft der Einwohner des Kontinents. Und wie immer bei Humboldt geht es hier um das lebendige Zusammenwirken aller Kräfte der natur und der Kultur - eine Fähigkeit zur Synthese, die der modernen Wissenschaft weitgehend abhanden gekommen ist, un von der wir heute nur träumen können.

Die Ansichten der Natur mögen sachlich in manchem überholt sein. Aber in der Art, wie sie wissenschaftliche Genauigkeit und große Anschaulichkeit miteinander verbinden, wie sie, so Humboldt selbst, »die Phantasie beschäftigen und durch Vermehrung des Wissens das leben mit Ideen bereichern«, haben sie von ihrer eindringlichen Kraft nichts verloren.


Laurence Sterne: Yoricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien

Greno 1986, AB 18, 431 S.

»Eine solche fleisch- und seelenhafte Zweideutigkeit, eine solche Freigeisterei bis in jede Faser und Muskel des Leibes hinein, wie er diese Eigenschaften hatte, besaß vielleicht kein anderer Mensch.« Friedrich Nitzsche


Béla Szász: Freiwillige für den Galgen. Die Geschichte eines Schauprozesses

Greno 1986, AB 19, 383 S.

Am Vormittag des 24. Mai 1949 strebt ein unauffälliger Beamter seinem Arbeitsplatz zu. Sein Büro liegt im ungarischen Landwirtschaftsministerium. Unser Held steigt die große Treppenflucht zum ersten Stock hinauf, doch auf dem Korridor versperren ihm zwei Unbekannte den Weg: »Staatssicherheit. Bitte folgen Sie uns!«


Ludwig Börne, Heinrich Heine - Ein deutsches Zerwürfnis

Greno 1986, AB 20, 380 S.

Gibt es eine politsche Moral, auf die sich die Literatur verpflichen läßt? Ist die Freiheit, die der Schriftsteller für sich in Anspruch nimmt, eine Illusion, ein Skandal, ein Anchronismus, oder verrät er seine Sache, indem er sich in den Dienst seiner »Sache« stellt? Muß er, soll er, darf er parteilich sein?


Isaac Bashevis Singer: Wahnsinnsgeschichten

Greno 1986, AB 21, 469 S.

Diese unerhörten Begebenheiten handeln von Frauen und Geistern. Mitten in Brooklyn lebt die phantastische Welt der chassidischen Legenden fort. Es geschehen Zeichen und Wunder im Schnellimbiß und in der Subway. Erotische Obsessionen und übernatürliche Zufälle, Verbrechen und Theologie fließen, vor der Kulisse des Broadway, mit dem alltäglichen Irrsinn der Metropole zusammen.


Raymond Federman: Alles oder nichts

Greno 1986, AB 22, 297 S.

Der Autor: Raymond Federman, US-Amerikaner, französischer Jude, 1928 in Paris geboren. Als die Gestapo 1942 in die Wohnung seiner Familie eindrang, versteckten ihn seine Eltern in einem Wandschrank. Die Eltern und seine beiden Schwestern wurden abtransportiert und in Auschwitz ermordet. 1947 wanderte Raymond Federman in die Vereinigten Staaten aus, wurde in den Korea-Krieg eingezogen, studierte anschließend und wurde Professor für vergleichende Literaturwissenschaft... Ein Erinnerungsbuch. Ein Romantheoriebuch. Eine riesige konkrete Poesie. Die Buchstaben formen Bilder. Wörter, Textabschnitte, Sätze, ganze Seiten sind Bilder. Bilder der Vergangenheit, vom Krieg, vom Hunger, von der Verfolgung der Juden, von der Überfahrt nach Amerika, vom amerikanischen Leben und Lieben. Bilder vom imaginären Hotelzimmer, dem Ort der Konzentration, dem Lager für einen einzigen menschen. Überlebensmittelberechnungen. Liebes- und Fickphantasien. So lustig bekommt man das Schreckliche selten zu lesen... Das Buch sucht seinesgleichen. (Saarländischer Rundfunk)


Mohammed Choukri: Das nackte Brot

Greno 1986, AB 23, 355 S.

»Da ist nichts abzuwägen, zu analysieren, herumzukritisieren. Dieses Buch ist ergreifend, zum Schmunzeln, zum Jauchzen - es ist zum Heulen schön: Die deutsche Erstausgabe des autobiographischen Romans Das nackte Brot des Marokkaners Mohamed Choukri ist Literatur pur, wahrhaft eine Entdeckung...

Was erzählt Choukri? Er malt, brennt, ätzt - es sei erlaubt, Camus zu zitieren: ›das schändliche und begeisternde Bild des Lebens‹. Choukri erzählt seine Kindheit und Jugend... die Geschichte eines herumgestoßenen Menschen, der sich beim täglichen Spießrutenlauf - um ein Stück Brot, ein Glas Wein, eine Zigarette - mit Händen und Füßen, mit List und Tücke gegen eine erbarmungslose, gewalttätige Umwelt behaupten muß... Umwerfend.« Die Zeit


Walter: Viktorianische Ausschweifungen

Greno 1986, AB 24, 319 S.

Es gibt nur Mutmaßungen darüber, wer der wohlhabende englische Gentleman war, der uns unter dem Titel My secret Life seine sexuelle Autobiographie hinterließ, ein Werk von wahrhaft gigantischen Ausmaßen - elf Bände, die er auf eigene Kosten um das Jahr 1890 in einer privaten Auflage von nur sechs oder sieben Exemplaren drucken ließ, alles in allem rund 4000 Seiten. Unsere Ausgabe kann angesichts dieses Textmassivs nur eine Auswahl sein - sie ist gekürzt, aber nicht gereinigt oder geglättet, und zielt darauf, ein möglichst umfassendes Bild von diesen für das viktorianische England völlig einzigartigen Aufzeichnungen zu geben.


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© Ralf 2006