Philippe Claudel: Die grauen Seelen

Rowohlt 2004, 240 S.
OT Les ames grises 2003
Aus dem Französischen von Christiane Seiler

Der Erzähler berichtet aus der Rückschau von den Jahren des ersten Weltkriegs in einem Städtchen in Frankreich. Aufhänger ist der Mord an einem kleinen Mädchen, auf den er immer wieder zurück kommt, er ist allerdings nicht zentrales Thema. Claudel schildert die Ereignisse jener Zeit aus der Rückschau in Form eines Berichts, was er im Laufe der Jahre zusammentragen konnte, die Personen des Städtchens, die damals eine Rolle spielten, was dann zu Zeitsprüngen führt, da nicht linear erzählt wird, sondern oft die einzelnen Geschichten über die Jahre abgerundet werden.

Es kommen so eine Vielzahl von Einzelschicksalen zusammen, der Schrecken des Krieges und seine Folgen auf die Menschen, jeder hat seinen eigenen Kampf, seine eigene Seelenlage, sein persönliches Leid wie Einsamkeit, Verzweiflung, Gewalt oder Verlust und trägt seine eigenen Schatten, die nach und nach aufgeklärt werden.

In der ersten Hälfte hatte ich noch keinen düsteren Eindruck davon, da er in einer sehr schönen Sprache schreibt: es liest sich oft wie ein Bericht, oft kurze Sätze, so daß ich eher den Eindruck hatte, über dem Text zu schweben, sehr leicht, fast wie "träumen" ohne Schwere. Später wird man dann hinein gezogen und es mag einem am Ende ein Kloß im Hals stecken bleiben.

Einige schön geschildterte Figuren prägen sich mir ins Gedächtnis ein, wenn er es auch manchmal mehr hätte ausbauen können. Vielleicht ging das aber auch nicht, weil das Buch eine persönliche Aufarbeitung der eigenen Seelenlage des Ich-Erzählers beschreibt.

Während des Lesens hatte ich das Gefühl, in Frankreich zu sein und ich habe das Buch auf jeden Fall gerne gelesen...

Das Buch war in Frankreich Buch des Jahres und es gab 2003 den "Prix Renaudot".

30.10.2004



Ein kleiner Ort im Osten Frankreichs, Dezember 1917. Jeder hat seinen Platz: der Staatsanwalt, der Polizist, der Gastwirt. Und alles geht seinen gewohnten Gang - ungeachtet des tausendfachen Sterbens an der nahen Front. Doch dann erschüttert ein einziger Tod das beschauliche Leben im Dorf. Die zehnjährige Tochter des Gastwirts, eine kleine Prinzessin, genannt Belle de jour, treibt erdrosselt in einem Kanal. Ein Mann versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch erst viele Jahre später gelingt es ihm, die Geschichte zu erzählen, zusammen mit allen anderen Geschichten, die untrennbar mit ihr verbunden sind...


© Ralf 2006