Rotpunktverlag 2007, 98 S.
(OT Lettre à D. Histoire d'un amour, 2006)
Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer
Von den wichtigen Dingen
»Du wirst zweiundachtzig. Du bist sechs Zentimeter kleiner geworden, du wiegst nur noch fünfundvierzig Kilo, und immer noch bist du schön, graziös und begehrenswert. Seit achtundfünfzig Jahren leben wir nun zusammen, und ich liebe dich mehr denn je. Wieder trage ich eine verzehrende Leere in meiner Brust, die einzig die Wärme deines Körpers an dem meinen auszufüllen vermag.«
So beginnt diese »Geschichte einer Liebe«, verfasst vom 83-jährigen Philosophen und Sozialtheoretiker André Gorz in Form eines langen Briefes. Er rekapituliert die 58 Jahre des Zusammenlebens mit Dorine, einer Engländerin, die er 1947 in Lausanne kennen gelernt hatte und die dann seine Frau wurde. Wäre ihm und Dorine wundersamerweise ein zweites Leben beschieden, schreibt Gorz am Schluss seines Briefes, würden sie es wieder zusammen verbringen.
Entstanden ist ein Rückblick der ganz besonderen Art auf ein gutes halbes Jahrhundert philosophisch-politischer und publizistischer Arbeit, bei der Dorine ihm immer zur Seite stand. Doch ganz am Anfang dieses Rückblicks steht auch die Frage: »Warum nur bist du in dem, was ich geschrieben habe, so wenig präsent, während unsere Verbindung doch das Wichtigste in meinem Leben gewesen ist?« Dieses Buch ist kurz; es handelt nur von den wichtigsten Dingen.
Es korrigiert und ergänzt jetzt 50 Jahre später im Grunde ein Buch, eine Autobiografie »Der Verräter« (dt. 1980), in dem seiner Meinung nach Dorine nicht ausreichend bzw. richtig dargestellt wurde. Er schreibt, wie wichtig ihm auch das Private war, insbesondere deshalb, weil ihm seine Frau Dorine die Möglichkeit gab und erhielt, als Schriftsteller arbeiten zu können. Einen Schriftsteller zu lieben, heißt zu lieben, daß er schreibt, so D.
Besonders rührend wird die Lektüre dadurch, daß er sich kurz nach dem Erscheinen das Leben nahm, zusammen mit seiner schwerkranken Frau, beide schon über 80.
Das heißt aber nicht, daß das Buch rührselig wirkt. Meist schildert Gorz wichtige Stationen aus dem gemeinsamen Leben, Höhepunkte und Tiefschläge relativ kurz und nüchtern. Dazwischen dann allerdings wunderschöne Sätze über seine Liebe:
»Soeben bist du zweiundachtzig geworden. Und immer noch bist du schön, anmutig und begehrenswert.« oder »Ich kann mir nicht vorstellen, weiter zu schreiben, wenn Du nicht mehr bist. Du bist das Wesentliche, ohne das alles Übrige, so wichtig es mir erscheinen mag, solange Du da bist, seinen Sinn und seine Bedeutung verliert.«