Clemens Meyer: Als wir träumten

S. Fischer 2006, 524 S.

ImDer Roman erzählt die Geschichte einiger Jugendlicher in Leipzig-Ost in den Jahren vor und nach der Wende. Danie, Rico, Mark, Pitbull und Paul könnte man auch gerne als Halbstarke bezeichnen, die als Kinder noch die FDJ kennengelernt haben, noch zu Ostzeiten zur Schule gingen, mitten in der Pubertät die Wende erleben, dies aber nur staunend am Rande und nicht begreifend und dann ins Leben stolpern. Je älter sie werden, desto mehr wird geraucht, gesoffen, sich vollgedröhnt und geprügelt. Aber einen Sinn für ihr Leben finden sie nicht, keine Perspektive oder Ziele, wenn man von der Freude des Autoknackens o.ä. absieht. Sie feiern eben, randalieren, prügeln sich mit anderen Gangs und ziehen nachts durch die Straßen, oder fliehen vor den Glatzen (den Eltern, der Zukunft) oder saufen und klauen...

Erzählt wird all dies von Danie, der zurückblickt. Dabei werden immer wieder Kapitel aus der Kindheit eingeworfen, der Schulzeit, so daß man einen großen Zeitraum überblickt. Und er scheint es als einziger einigermaßen geschafft zu haben, sich in ein Leben hinüber zu retten: alle anderen sind entweder im Knast oder tot, entweder durch Drogen oder durch Autounfall nach Rasen in einem gestohlenen Auto.

Vielleicht steckt ja das im Titel "Als wir träumten": damals wars schön, man hat immer mit gemacht und sei es nur, um nicht als Looser oder Feigling vor den anderen dazustehen, aber wie kams nur, so in der Scheiße zu landen, es hat kaum einer überstanden.

Mein Motiv, zu dem Buch zu greifen, war der Wunsch mehr zu erfahren über dieses Milieu, über Menschen, die außer Alkohol und vielleicht Fußball kaum etwas haben, das sie interessiert. Warum am frühen Morgen schon das erste Bier, warum klauen, prügeln usw. Es wurde nur teilweise geklärt, all die Jungs kamen schon aus kaputten Familienverhältnissen, schon die Väter haben getrunken, geschlagen oder waren im Knast, aber das Herkunftsmilieu erklärt nicht alles.

Auf jeden Fall hab ich mich dann nach 200 Seiten auch gefragt, soll ich mir das antun, man hat während des Lesens ständig Zigarettenrauch oder Alkohl in der Nase, und die Spache und die vielen Dialoge sind natürlich aus dem Milieu. Und doch, man entwickelt Sympathie für die Figuren, es müssen ja nicht gleich Freunde werden. Meyer schildert einfach wie es ist, deren Leben und Heranwachsen. Es gibt eben noch ein anderes Leben als das, das wir so kennen. Auch wenn ich es täglich aus der Ferne beobachten kann, erst beim Lesen hab ich da mal richtig hin gesehen.

23.03.2006

© Ralf 2006