Knud Romer: Wer blinzelt, hat Angst vor dem Tod

Insel 2007, 169 S.
(OT Den som blinker er bange for døden, 2006)
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg

Knud Romer hat einen Roman geschrieben, bei dem man nicht wirklich weiß, was tatsächliche Begebenheit ist oder nur Fiktion. Als Kind deutsch-dänischer Eltern schreibt er von seiner Kindheit der 60er und 70er Jahre in der dänischen Kleinstadt Nykøbing (Falster).

Er schreibt über mehrere Generationen seiner Familiengeschichte. Der dänische Großvater versuchte sich immer wieder in außergewöhnlichen Unternehmungen, zuletzt will er als erster den Fremdenverkehr nach Falster bringen und scheitert grandios. Sein Sohn ist ein pedantischer, zwanghafter Versicherungsangestellter, der sich mit seinem nach Sicherheit strebenden Charakter nie selbstbewußt durchsetzten kann. Die deutsche Großmutter ist nach einem Bombenangriff fürchterlich entstellt, ihr Mann, das Urbild eines Preußen, Schmisse im Gesicht, unnachgiebig und hart, dem Granatsplitte aus der Haut wachsen. Knuds Mutter schließlich kommt nach dem Krieg nach Dänemark um dort zu arbeiten, heiratet, wird jedoch von den Einheimischen verspottet, mißachtet und als Hitlerliebchen geschimpft. Das Kind erlebt also unmittelbar, wie er und eine Eltern ständig von den Einheimischen "gemobbt" werden, man zeigt ihnen deutlich ihre Verachtung. Der Mutter wird beim Bäcker saure Milch und schlechtes Brot verkauft zu überhöhten Preisen, doch auch der Vater wird vom örtlichen Leben ausgeschlossen.

Er werden sehr viele Geschichten aus der Vergangenheit der Familie und aus der Kindheit von Knud Romer erzählt (der Namen des Autors und des Protagonisten sind identisch). Es gibt fast nur Verlierer in dem Buch, nicht nur die Dänen kommen in dem Buch schlecht weg, die Deutschen sind keineswegs besser. Vieles scheint stark überzeichnet, aus der Unmenge von skurilen Figuren hätte man mehr als einen Roman machen können, so erschütternd vieles in dem Roman daher kommt, so ist es trotzdem von viel (schwarzem) Humor durchsetzt. Einzig die Liebe zwischen den Eltern bleibt immer spürbar und die Mutter scheint die einzige Figur zu sein, die, auch wenn sie tragisch endet, Güte und das Gute repräsentiert.

Das Hauptmotiv des Buchs ist aber nicht eine Familiengeschichte, sondern der Haß der Dänen nach dem zweiten Weltkrieg auf die Deutschen. In Dänemark hat das Buch 2006 zu einem Skandal und großen Diskussionen geführt. Wo die einen nur von Hetze sprechen, halten es die anderen für einen Beitrag zur längst fälligen Aufarbeitung deutsch-dänischer Geschichte. Es wurde vieles aufgereiht, was grotesk, schmerzlich, komisch ist, die Deutschen sind nicht besser als die Dänen, es spielt bei all dem keine Rolle, was wahr oder nur Fiktion ist, denn wenn auch nur ein kleiner Teil davon stimmt, und das dürfte zweifellos so sein, dann gab es sehr wohl den "tyskerhad", den Deutschenhaß. Es ist mir etwas unverständlich, warum darüber so heftig diskutiert wird, es ist Vergangenheit, und in vielen Ländern wurden Fehler bei der Aufarbeitung gemacht, wurde vieles geleugnet, nun sind wir einige Jahrzehnte weiter.

Es ist eben vieles noch längst nicht abgeschlossen; gut, wenn in Nykøbing, Dänemark oder überhaupt über sich selbst diskutiert wird, Fragen gestellt werden, immer wieder...

© Ralf 2007